Die Welt, in die Kinder heute hinein wachsen ist durch zunehmende Digitalisierung, Technisierung und Individualisierung geprägt. Die vorwiegende sitzende Lebensweise in Innenräumen in Verbindung mit unausgewogener Ernährung gefährdet erwiesenermaßen die körperliche und geistige Gesundheit von Kindern. Die unmittelbare Erfahrung und der Kontakt mit natürlichen, nicht von Erwachsenen strukturierten Umfeldern, oder gar der Wildnis, sind selten im Alltag der Kinder. Das vergessene Spiel mit allen Sinnen an Flussläufen, Seeufern, Wäldern oder Feldern, sind zumeist keine Erfahrungen, die Kinder in ihrer Freizeit erleben. Auch die vielfältigen Verwendungs- und Zubereitungsmöglichkeiten von Kräutern und Pflanzen, die Beobachtung und die Kenntnis von heimischen Tieren, die Legenden und Märchen, die sich um einheimische Bäume ranken, sind vielen Kindern vollends unbekannt.
Die Naturpädagogik hat grundsätzlich zum Ziel, der Naturentfremdung entgegen zu wirken und die Natur in all ihren Facetten für Kinder und Jugendliche wieder erlebbar zu machen, sinnliche Begeisterung zu wecken und zu körperlicher, geistiger und emotionaler Lebhaftigkeit in natürlichen Umfeldern anzuregen. Das freudvolle Erleben und Erfahren von Natur, der Einsatz von eigener Fantasie, die passgenauen Herausforderungen, die Kinder sich selbst suchen können und die ausgleichende, körperliche Betätigung in der Natur, trägt maßgeblich dazu bei, dass Kinder sich in der immer schneller und virtueller werden Welt verankern und verwurzeln können. Eine nachhaltige Beziehung zur Natur, die durch Freude und positive Erlebnisse geprägt ist, lässt Rücksichtnahme und Verantwortung für unseren Planeten entstehen und wirkt wegbereitend für nachhaltigen Umweltschutz. Studien belegen, dass „ Naturerleben Symptome der Aufmerksamkeitsdefizit- Hyperaktivitäts- Störung (ADHS) verringert sowie die kognitiven Fähigkeiten und die Widerstandkraft gegen negative Belastungen und Depression verbessert“1 Positive Auswirkungen auf die Gesundheit, das kreative Spiel, das Selbstbewusstsein, die Solidarität in der Gruppe sind Ziele, die das naturpädagogische Arbeiten mit Kindern anstrebt. Die Naturpädagogik ermöglicht Kindern über verschiedene methodische Zugänge Natur erlebbar zu machen und die Natur für sich als Raum des Lernens, Erholens, der Verbundenheit, Faszination und der natürlichen Herausforderungen zu entdecken. Hierbei werden ganzheitliche Zugänge durch Erlebnis- und Wildnispädagogik, Kunst, Experimente, Geschichten und Märchen erzählen, darstellendes Spiel, Bewegungs- und Geländespiele und freie Spielzeit in natürlichen Lebensumfeldern ermöglicht. Lernen kann hierbei über Sinnes-, Kopf- und Herzebene geschehen. Die vier Elemente ermöglichen den Kindern die ursprünglichsten aller Erfahrungen und bieten die Gelegenheit uralte Motive wie Jagen, mit Stöckern spielen, Nahrung am Feuer zubereiten, Höhlen bauen, in Gemeinschaft mit anderen Abenteuer erleben, Geschichten hören und erzählen und sich als Teil des großen Ganzen zu fühlen.
¹ Louv, Richard. Das letzte Kind im Wald. Geben wir unseren Kindern die Natur zurück! Verlag Herder 2013. S. 55 aus: Gerald Hüther, „Alm statt Ritalin“, Geo- Magazin, Nov. 2009, Stern, 45,2009